RECHTSANWALTSKANZLEI JÜRGEN RAPP

Kein Schwarzfahren bei Nichtmitnahme der Monatskarte

Nach Auffassung des Kammergerichts (KG) Berlin liegt dann, wenn der Inhaber einer Monatskarte die Karte bei der Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel nicht mit sich führt, obwohl er sie bezahlt hat, keine Schwarzfahrt vor. Eine Strafbarkeit wegen Erschleichens von Leistungen (§ 265 StGB) ist dann nicht gegeben (Kammergericht Berlin, Beschluss vom 15.06.2012, Az.: (4) 121 Ss 113/12 (149/12). Ob dies von anderen Gerichten gleichgesehen würde, ist nicht sicher. In dem zugrundeliegenden Fall war ein Schüler ohne Mitnahme eines gültigen Fahrausweises mit der U-Bahn gefahren und dabei erwischt worden. Gegenüber den Kontrolleuren führte er aus, dass er seine Schülermonatskarte für den Monat April verloren habe, was ihm erst auf dem Weg zur U-Bahn aufgefallen sei. Deshalb wurde er vom Amtsgericht (AG) Tiergarten wegen des Erschleichens von Leistungen gemäß § 265 StGB zu 20 Stunden Freizeitarbeit verurteilt. Dagegen legte der Schüler Revision ein, die nun vom Kammergericht zugunsten des Schülers entschieden wurde. Ein strafbares Verhalten liege nicht vor, denn dieses setze das Vorliegen eines Vermögenschadens voraus. Ein Vermögensschaden liege darin, dass der Täter die Leistung eines Transportunternehmens in Anspruch nehme, ohne dafür bezahlt zu haben. Das sei hier aber gerade nicht der Fall. Wenn nämlich ein Verkehrsbetrieb es seinen Kunden ermögliche, nach Bezahlen einer Monatskarte beliebige Fahrten vorzunehmen, erleide er dann keinen Vermögenschaden, wenn der Fahrgast diese Monatskarte bei einer Kontrolle nicht bei sich führe. Entscheidend sei dann, dass er die Karte tatsächlich bezahlt habe. Keine Rolle spiele es, ob die Mitnahme der Karte vergessen wurde oder sie verloren gegangen sei. Die Voraussetzungen des Erschleichens von Leistungen werden nach Ansicht des Kammergerichts jedenfalls dann nicht erfüllt, wenn es sich bei dem Dauerfahrausweis um eine nicht übertragbare, personengebundene Fahrkarte handele (vgl. BayObLG NJW 1986, 1504). Etwas anderes könne unter Umständen bei einer übertragbaren Monatskarte gelten (verneinend: OLG Koblenz, Beschl. v. 11.10.1999 – 2 Ss 250/99 = NJW 2000, 86). Ob diese Entscheidung auch von anderen Gerichten so bestätigt würde, ist nicht sicher (20.04.2023 ra).