RECHTSANWALTSKANZLEI JÜRGEN RAPP

\“Maistreiche\“ und Strafrecht

Vermutlich dürften auch in diesem Jahr in der Nacht auf den 1. Mai 2023 vorwiegend jüngere Menschen die alljährliche „Walpurgisnacht“ wiederum nutzen, um mehr oder weniger gelungene Scherze zu treiben oder anderen Personen einen Denkzettel zu verpassen. Rechtlich betrachtet spricht dagegen nichts, solange sich der Spaß im Rahmen der Gesetze bewegt. Leider wird aber die Nacht zum 1. Mai zu allerlei Streichen benutzt, die allzu oft über das Brauchtum und über das erlaubte Maß hinausgehen. In der Vergangenheit war das Wegräumen von Pflanzenkübeln, Gartenmöbeln und Gartentürchen ein probates Mittel, um sich vor den Maistreichen in den Abend- und Nachtstunden zu schützen. Mittlerweile ist diese Vorgehensweise nach Darstellung etlicher Polizeidienststellen aber wirkungslos, weil Kinder und Jugendliche, teilweise sogar in Begleitung ihrer Eltern, durch Wohngebiete streifen und dabei dann auch Häuser oder andere Gebäude mit Toilettenpapier, Rasierschaum oder Würfen mit rohen Eiern verschandeln. Hierbei handelt es sich um strafbare Sachbeschädigungen, die zwangsläufig (erhebliche) Schadensersatzforderungen nach sich ziehen können. Nicht selten kommt es aber auch vor, dass betrunkene Jugendliche die Nacht zum 1. Mai nutzen, um unter dem Vorwand des Brauchtums weitere Straftaten zu verüben. Dominierend sind hier zwar nach wie vor reine Sachbeschädigungen. Leider kommt es aber auch vor, dass Brände gelegt und Diebstähle vorgenommen werden. Eltern sollten Jugendliche deshalb rechtzeitig darüber aufklären, dass auf den ersten Blick vermeintlich „lustige Späße“ zu erheblichen zivil- und strafrechtlichen Konsequenzen führen können. Wer etwa Kanaldeckel aushebt oder Seile über die Fahrbahn spannt, scherzt nicht, sondern gefährdet absichtlich und rücksichtslos Gesundheit und Leben von Unbeteiligten und macht sich daher strafbar. Daneben stehen enorme Schadensersatzansprüche im Raum, die bei einem Vorsatzdelikt von keiner Haftpflichtversicherung übernommen werden. Deshalb ist es empfehlenswert, bereits vor einem „Maistreich“ darüber nachzudenken, ob es sich wirklich um einen Scherz handelt, der auch von anderen als lustig empfunden wird oder ob die Grenze zu strafbarem Handeln überschritten wäre. Übrigens: Bereits ab dem 14. Lebensjahr und bis zum 18. Geburtstag ist man bedingt „strafmündig“ und kann unter Umständen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Doch der Ausschluss strafrechtlicher Maßnahmen bedeutet nicht, dass Täter unter 14 Jahren überhaupt keine Konsequenzen zu befürchten haben. Zivilrechtlich können Personen unter 14 Jahren durchaus haftbar gemacht werden und zur Zahlung von Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld herangezogen werden. Denn im Zivilrecht, das die Rechtsbeziehungen zwischen Personen regelt, sind die Altersgrenzen anders gestaffelt als im Strafrecht. Zudem können im Rahmen der Kinder- und Jugendpflege Maßnahmen und Hilfen zur Erziehung unter Aufsicht des Jugendamtes angeordnet werden. Ebenfalls möglich ist unter bestimmten Bedingungen, dass den Eltern das Sorgerecht für das straffällig gewordene Kind entzogen wird und dieses in einer Pflegefamilie oder in einem Heim untergebracht wird. Selbst weitergehende Maßnahmen sind rechtlich durchaus vorstellbar! (27.04.23 ra)