Wenn am schönsten Tag im Leben das Hochzeitskleid nicht passt…

Wie konnte das passieren? Hatten sich Braut und sämtliche Beteiligte zu sehr auf eine Traum­hochzeit versteift, bei der einfach alles passen musste? Oder hatten Braut und Schneider aneinander vorbei­geredet? Der zuständige Richter des Amtsgerichts vermutete, dass es wohl die „rosarote Hochzeits­wolke“ gewesen sei, die dazu geführt habe, dass in einem Streit, ob ein Hochzeits­kleid nun richtig saß oder nicht, alle aneinander vorbei­geredet hätten. Die Stimmung vor dem Amtsgericht (AG) Hannover war aufgeladen und erst nach langem und guten Zureden des Richters schlossen Braut und Schneider auf dringenden Vorschlag des Gerichts einen Vergleich, nachdem sie zuvor noch um wenige Euro gefeilscht hatten (Az.: 453 C 1832/20). Der Richter wies die Parteien darauf hin, dass es in dem Verfahren auf Zeugen (und möglicherweise auch auf Sachverständige) angekommen wäre. Für ihn, so der Richter weiter, würden die Risiken bei 50 zu 50 liegen. Keine der beiden Parteien hätte sich also vor der Beweisaufnahme auf einen positiven Ausgang verlassen dürfen und bei negativem Ausgang der Beweisaufnahme drohte ein vollständiger Prozessverlust, sodass dem Richter ein Vergleich sachgerecht erschien. Worum ging es konkret in dem Verfahren? Im Februar 2019 wurde ein „Kaufvertrag“ für ein maßg­eschneidertes Kleid mit Schleier abgeschlossen, nach Einschätzung des Richters wohl eher ein Werkvertrag. Dann wurde es schon schwieriger, denn angeblich wollte die Braut einen extra tiefen Rücken­ausschnitt, was diese wiederum bestritt. Nach dem weiteren Vortrag der Schneiderei sei die Braut darüber aufgeklärt worden, dass ein Brautkleid mit einem tiefen Rücken­ausschnitt nicht hauteng anliege, was die Braut wiederum bestritt. Dann war auch noch der Body anders als geplant nicht einfarbig, die Träger angeblich zu kurz, der Unterrock zu eng, auch habe sich das Kleid im Hochsommer im Schrank verzogen, weshalb sich die Braut ein Ersatzkleid habe beschaffen müssen, was noch teurer ausgefallen sei, als das juristisch zu bewertende Streitobjekt. Kurzum: Das Brautkleid sei eine einzige Katastrophe gewesen und die Braut weigerte sich deshalb, den vertraglich festgelegten Preis zu bezahlen. Das wiederum wollte die Schneiderei nicht auf sich sitzen lassen und klagte auf den vollen Kaufpreis von EUR 2.325,00 für das Kleid, das eigens für die Beklagte angefertigt worden sei. Die Braut hatte nur eine Anzahlung von EUR 1.162,00 geleistet, den Rest wollte sie nicht bezahlen, weil das Kleid aus ihrer Sicht der Dinge nicht passte. Im Gegenteil: Sie klagte nun ihrerseits auf Rück­zahlung der bezahlten Summe, Zug-um-Zug gegen Rückgabe des Kleides. Die Schneiderei widersprach dem und argumentierte, die Arbeitszeit, die Stoffe… das alles seien Kosten, auf die man nicht verzichten könne. Ohnehin sei ein Sonderpreis vereinbart worden, denn bei individuellen Sonder­wünschen, wie vorliegend, würden die Preise normalerweise erst bei EUR 2.500,00 anfangen.  Auch sei es nicht möglich, das maßg­eschneiderte Kleid einer anderen Kundin zu verkaufen. Auf die Frage nach der Vergleichs­bereitschaft der Parteien schlug der Anwalt der Schneiderei die Zahlung von EUR 700,00 vor, was immer noch ein Verlust­geschäft sei. Der Anwalt der Braut fand das „über­zogen“, sodass ein intensiver Streit um jeden Euro entfachte und um jeden Cent gefeilscht wurde. Schließlich einigten sich die Parteien auf dringenden Vorschlag des Gerichts darauf, dass die Braut noch EUR 531,25 bezahlen und den Schleier im Verkaufs­wert von EUR 135,00 zurück­geben muss. Damit waren dann alle gegenseitigen Ansprüche abgegolten, sodass „nur noch“ die Frage nach der Rückgabe des Schleiers zu beantworten war, den die Braut partout nicht per Post versenden wollte. Der Anwalt der Schneiderei schlug deshalb vor, dass die Braut ihn in seine Kanzlei bringen möge, sodass man sich dann endlich einigen konnte. Das Ergebnis kommentieren wollte niemand, wirklich zufrieden schien ebenfalls niemand gewesen zu sein. Der Richter wünschte der im Corona-Lockdown geschlossenen Schneiderei, bald wieder Hochzeits­kleider verkaufen zu können, dem Paar wünschte er „ein schönes Leben“ (11.03.21 ra).