RECHTSANWALTSKANZLEI JÜRGEN RAPP

Räum- und Streupflicht beachten!

Der erste Schnee ist gefallen und viele Mandanten stellen sich die Frage, wer eigentlich die Räum- und Streupflicht innerhalb einer Gemeinde zu erfüllen hat. Grundsätzlich – aber eben nur grundsätzlich – trägt die Gemeinde die sog. Verkehrssicherungspflicht, die aber in der Regel durch eine Satzung auf die Hauseigentümer anliegender Grundstücke übertragen wird. Der Eigentümer wiederum kann, was regelmäßig geschieht, die Räum- und Streupflicht durch entsprechende Regelungen im Mietvertrag oder in der Hausordnung auf den Mieter abwälzen (vgl. bspw. Landgericht (LG) Karlsruhe, Urt. v. 30.05.2006, Az. 2 O 324/06 = ZMR 2006, 698). Die Regelung muss dann aber ausdrücklich die Pflichtübergabe benennen; soweit im Mietvertrag oder in der Hausordnung lediglich steht, dass „alle behördlichen und polizeilichen Pflichten zu beachten“ sind, ist das in aller Regel zu unbestimmt (vgl. LG Stuttgart, Urt. v. 27.01.1988, Az. 5 S 210/87 = WuM 1988, 399). Wurde die Winterpflicht wirksam auf den Mieter übertragen, so darf der Vermieter grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Mieter seiner Pflicht auch nachkommt (vgl. Oberlandesgericht (OLG) Dresden, Beschluss v. 20.06.1996, Az. 7 U 905/96). Allerdings trifft den Vermieter weiterhin eine Überwachungspflicht, er muss kontrollieren und darauf achten, dass der Mieter der Winterpflicht auch tatsächlich nachkommt (vgl. LG Waldshut-Tiengen, Urt. v. 30.06.2000, Az. 1 O 60/00). Geschieht dies entgegen der Regelungen im Mietvertrag oder in der Hausordnung nicht, so haftet der Mieter für eingetretene Schäden infolge eines Sturzes wegen Glatteis (vgl. Amtsgericht (AG) Ulm, Urt. v. 05.08.1986, Az. 6 C 968/86 – 03). Eine gute Haftpflichtversicherung ist in diesem Fall eigentlich unabdingbar. Hauseigentümer unterliegen bei der Übertragung der Räum- und Streupflicht allerdings Beschränkungen. Gebrechlichen Senioren kann der Winterdienst regelmäßig nicht überbürdet werden (vgl. für eine 80-jährige Mieterin AG Hamburg-Altona, Urt. v. 30.08.2006, Az. 318A C 146/06). Auch dann, wenn der Mieter aus gesundheitlichen Gründen diese Arbeiten nicht mehr erledigen kann und weder private noch gewerbliche Dritte zur Übernahme der Arbeiten zu finden sind, besteht unter Umständen keine Pflicht zum Winterdienst (vgl. LG Münster, Urt. v. 19.02.2004, Az. 8 S 425/03). Ebenfalls ist es nicht möglich, nur dem Mieter der Erdgeschosswohnung die Räum- und Streupflicht aufzuerlegen (vgl. AG Köln, Urt. v. 14.09.2011, Az. 221 C 170/11). Zur Kostentragungspflicht für die Räum- und Streupflicht gibt es noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung, der Mieter muss jedenfalls dann die Kosten tragen, wenn er sich aufgrund ausdrücklicher Regelung im Mietvertrag hierzu verpflichtet hat (vgl. AG Wuppertal, Urt. v. 03.02.1982, Az.: 31 C 500/81 = WM 82, 114). Die Räum- und Streupflicht gilt übrigens nicht nur für die Gehwege, so wurde eine Verkehrssicherungspflichtverletzung bejaht, als eine Frau auf der Zugangsrampe zur Tiefgarage stürzte und sich hierbei verletzte (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 30.12.2008, Az. 14 U 107/07). Grenzt das Grundstück an mehrere Straßen, so gilt die Winterpflicht für jede Grundstücksseite und nicht nur für die Seite, von der aus man das Grundstück betritt (vgl. OLG Brandenburg, Urt. v. 19.03.2008, Az. 4 U 55/07). Sollte der Mietvertrag keine Regelung dazu enthalten, zu welchen Zeiten der Winterdienst vorzunehmen ist und gibt die örtliche Straßenreinigungssatzung hierzu ebenso nichts her, gilt das „allgemein Übliche“. Danach besteht vor Einsetzen des üblichen Tageswerkes gegen 7.00 Uhr in der Regel keine Räum- und Streupflicht (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 28.03.2008, Az. 5 U 101/08 = NJW-RR 2008, 1331). An Sonn- und Feiertagen muss nicht vor 9.00 Uhr gestreut werden (OLG Oldenburg, Urt. v. 28.09.2001, Az. 6 U 90/01). Die Pflicht endet um 20.00 Uhr (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urt. v. 02.10.1984, Az. VI ZR 125/83 = NJW 1985, 270). Ein Blick in die örtliche Satzung ist auf jeden Fall angebracht! Bestehen jedoch konkrete Anhaltspunkte für eine Glatteisbildung, ist nach Ansicht des OLG Brandenburgs (Urt. v. 18.01.2007 – 5 U 86/06) eine vorbeugende Streuung auch außerhalb dieses Zeitrahmens notwendig. Welches Streumittel einzusetzen ist, kann wiederum die kommunale Straßenreinigungssatzung regeln. Allgemein wird Granulat oder Split ausreichen, nur in besonderen Fällen, wie beispielsweise bei starken Gefällen, wird der Einsatz von Salz notwendig sein (vgl. LG Rottweil – 2 O 312/07). (10.12.2020 ra).