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Dachlawine beschädigt parkendes Auto, wer haftet?

Nach Auffassung des Landgerichts (LG) Magdeburg können bei der Beschädigung eines parkenden Autos durch eine Dachlawine Schadensersatzansprüche gegen den Hauseigentümer bestehen, denn dieser ist verpflichtet, auch in sonst schneearmen Gebieten vor Gefahren zu warnen (Urt. v. 10.11.2010, Az.: 5 O 833/10). Dabei wird zu seinen Gunsten nicht berücksichtigt, dass er gar nicht vor Ort wohnt. Was war geschehen? Ein Toyota wurde an einem schneereichen Januartag am Straßenrand in Haldensleben geparkt und durch eine von einem Dach herabstürzende Schneelawine beschädigt, sodass ein Schaden von EUR 6.000,00 entstand. Das Hausdach war nicht mit Schneefanggittern gesichert. Zumindest nach Meinung des LG Magdeburg haftet die Hauseigentümerin aufgrund einer Verkehrssicherungspflichtverletzung dem Geschädigten auf Zahlung des hälftigen Schadens, denn derjenige, der eine Gefahrenlage schaffe, müsse alle zumutbaren Vorkehrungen treffen, um einen Schaden Anderer zu vermeiden. Das Gericht hat darauf hingewiesen, dass man in einer schneearmen Gegend wie Haldensleben nicht verlangen könne, Schneefanggitter anzubringen. Trotzdem, so das Gericht weiter, müssen Straßenbenutzer bei ungewöhnlich starkem Schneefall vor den Gefahren gewarnt werden. Allerdings bedürfe es bei deutlich erkennbaren Gefahren, die „vor sich selbst warnen“, keiner Verkehrssicherung, wenn bei verständiger Beurteilung anzunehmen sei, dass der zu Schützende den Gefahren ausweichen könne und ausweichen werde. Im entschiedenen Fall galt dies allerdings nicht, da Passanten oder Parkende über Neigungswinkel und Auffanggitter nicht ohne weiteres orientiert gewesen seien. Auch derjenige Hauseigentümer, der nicht vor Ort wohne, müsse Vorkehrungen treffen oder diese entsprechend organisieren, zumal der Schneefall ja nicht plötzlich aufgetreten sei, sondern schon seit einiger Zeit bestanden habe. Zu 50% blieb der klagende Autobesitzer allerdings auf seinem Schaden sitzen, weil er sich ein Mitverschulden anrechnen lassen musste. Er kannte nämlich ebenfalls, so das Gericht in seiner Urteilsbegründung, die Wetterlage und die Gegebenheiten des Dachs, da er schräg gegenüber wohnte und es ihm daher zuzumuten gewesen sei, an einer ungefährlichen Stelle zu parken. Generell ist zu sagen, dass im Winter bei Schnee und Eis dem Begriff Verkehrssicherungspflicht eine ganz besondere Qualität zukommt. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang die Räum- und Streupflicht, es muss gewährleistet sein, dass die Zugänge zu einer Wohnanlage gefahrlos begangen werden können. Ausreichend ist, dass auf dem Gehsteig ein für den Fußgängerverkehr ausreichend breiter Streifen (ca. 1,20 m) sowie die Zugänge zum Grundstück gestreut und von Schnee gesäubert werden. Nach dem Schneeräumen empfiehlt sich ein ausreichendes Streuen. Bei fortdauerndem Schneefall muss allerdings erst nach angemessener Zeit nachgestreut werden. Die Streupflicht selbst beginnt grundsätzlich nach den örtlichen Verhältnissen mit dem Einsetzen des Tagesverkehrs und endet am Abend. Umstritten ist die Frage, welche Vorkehrungen nötig sind, um den vor einem Haus liegenden Straßenraum gegen Dachlawinen zu sichern. Es wird einerseits die Ansicht vertreten, dass es lediglich verpflichtend sei, Vorkehrungen zu treffen, die im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet sind, Gefahren von Dritten abzuwenden. Sind Sicherungsmaßnahmen wegen des Abstürzens von Schnee nicht ortsüblich, können sie vom Hauseigentümer nur unter besonderen Umständen gefordert werden, wobei es hier um eine Einzelfallentscheidung geht, die sich wiederum an den klimatischen und örtlichen Verhältnissen, der Lage des Hauses, der Lebhaftigkeit des Verkehrs, den besonderen Witterungsverhältnissen und der Dachneigung und der Bauart des Hauses orientiert. Etwas anderes kann übrigens gelten, wenn in der Gemeinde eine Satzung oder eine örtliche Bauvorschrift besteht, welche wiederum das Anbringen von Schneefanggittern vorschreibt. Nach einer anderen, strengeren Ansicht müssen auch beim Fehlen solcher Vorschriften grundsätzlich Schneefanggitter angebracht oder doch zumindest Warnschilder aufgestellt werden (11.01.2024 ra).