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ALLE ENTSCHEIDUNGEN UND BEITRÄGE SIND NACH BESTEM WISSEN ZUSAMMENGESTELLT. EINE HAFTUNG FÜR DEREN INHALT ÜBERNEHMEN WIR JEDOCH NICHT. FÜR RÜCKFRAGEN STEHEN WIR IHNEN NATÜRLICH GERNE ZUR VERFÜGUNG.

MEDIENRECHT: AKTIVE Einwilligung bei Cookies muss sein…

Im Mai 2020 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass Websitebetreiber, die auf ihrer Internetseite Werbecookies setzen wollen, auf jeden Fall eine aktive und informierte Einwilligung des Nutzers benötigen. Die vielfach anzutreffenden voreingestellten Haken im Feld zur Cookie-Einwilligung reichen nicht aus. Auch die ebenfalls weit verbreiteten Cookie-Banner, die einfach nur weggeklickt werden können, sind ebenfalls unrechtmäßig. Denn bei beiden Varianten liegt keine aktive und informierte Einwilligung vor. Es wird lediglich beim Aufruf der Website über die Werbe-Cookies informiert und dann eine nachträgliche Abwahlmöglichkeit zur Verfügung gestellt. Das reine Weitersurfen wird somit quasi zu einer Einwilligung uminterpretiert. Bei Cookies handelt es sich um Textdateien, die auf dem Gerät eines Webseitenbesuchers gespeichert werden. Diese Dateien beinhalten eine Identifikationsnummer, durch die eine Zuordnung und Wiedererkennung des Gerätes möglich ist, auf dem die Textdatei gespeichert wurde. Solche Cookies können entweder vom Websitebetreiber selbst gesetzt werden oder von einem externen Dienst eines Dritten, der vom Websitebetreiber hierzu beauftragt wurde.  In Cookies können beispielsweise Eingaben und Einstellungen auf einer Website gespeichert werden, damit der Nutzer diese Eingaben oder Einstellungen nicht jedes Mal erneut eingeben muss, wenn er die Website besucht. Manche Cookies sind aus technischen Gründen erforderlich, andere sind aber lediglich nützlich. Diese anderen Cookies können etwa zur statistischen Aktivitätenanalyse auf der Website oder zu Nutzerprofilanlage über mehrere Websites hinweg genutzt werden. Genau um diese Cookies ging es in der Entscheidung des BGH. Diese Entscheidung wird große Auswirkungen haben, sowohl für Websitebetreiber als auch für Anbieter von Tracking-Diensten. Denn es wird kaum einen Nutzer geben, der freiwillig dem Sammeln der Daten zu seinem Surfverhalten zustimmt, wenn er einerseits die freie Wahl hat und andererseits diese Zustimmung auch noch aktiv erteilen muss. Nach der Entscheidung des BGH muss der Nutzer zur wirksamen Einwilligung einerseits umfassend über deren Einsatz informiert werden und andererseits eindeutig und bewusst in den Einsatz einwilligen. Zudem muss er diese Einwilligung jederzeit für die Zukunft widerrufen können, was nicht etwa durch ein Verstecken des Widerrufsbuttons im Kleingedruckten erschwert werden darf. Begründet hat der BGH seine Entscheidung damit, dass er das deutsche Telemediengesetz (TMG) so ausgelegt hat, dass es mit dem Europarecht in Einklang steht. Zwar erlaubt das TMG nach seinem Wortlaut bereits den Einsatz von Cookies zu Werbezwecken, wenn der darüber informierte Nutzer nicht widerspricht – also etwa durch die besagte Nutzung von Werbebanner oder voreingestellten Haken. Da der Gesetzgeber mit der Norm im TMG aber die sog. europäische Cookie-Richtlinie aus dem Jahr 2009 umsetzen wollte und diese Richtlinie nach ihrem Wortlaut eben die informierte und aktive Einwilligung des Nutzers verlangt, ist das TMG so zu lesen, als sei dort das aktive Einwilligungserfordernis wörtlich verankert. Problematisch ist an dieser Begründung, dass sie sich von der Begründung der Datenaufsichtsbehörden unterscheidet. Zwar sind sich BGH und Behörden im Ergebnis einig. Die Behörden sind aber der Auffassung, dass das aktive Einwilligungserfordernis aus der DSG-VO folgt und nicht dem TMG. Da jeder Websitebetreiber aber nach der DSG-VO im Rahmen seiner Datenschutzerklärung nicht nur über den Cookie-Einsatz informieren muss, sondern auch die Norm nennen, die ihn zum Einsatz berechtigt, könnten die unterschiedlichen Begründungsansätze in Zukunft zu einigen falschen Datenschutzerklärungen führen, was im schlimmsten Fall eine Abmahnung nach sich zieht. Denn nach dem BGH berechtigt das TMG den Websitebetreiber zum Cookie-Einsatz, nach der Datenaufsichtsbehörde aber die DSG-VO (16.07.2020 js).

RECHT AKTUELL: Neuer Bußgeldkatalog – Fahrverbote unwirksam?

Viele Autofahrerinnen und Autofahrer haben entsetzt festgestellt, dass Ende April teils drastische Verschärfungen bei Geschwindigkeitsüberschreitungen in Kraft getreten sind. Besonders eklatant wirkt sich aus, dass bei Geschwindigkeitsüberschreitungen innerorts von 21 km/h und mehr und ab 26 km/h außerorts Regelfahrverbote vorgesehen sind. Allerdings sind sehr schnell Zweifel daran aufgekommen, ob diese Sanktionen tatsächlich verhältnismäßig sind, so dass derzeit vehement darüber diskutiert wird, ob die Änderungen – zumindest teilweise – wieder zurückgenommen werden sollten. Seit einigen Tagen wird nun sogar die Vermutung geäußert, dass Zweifel an der generellen Wirksamkeit der neuen Bußgeldregeln bestehen könnten, diese also möglicherweise überhaupt nicht wirksam sind. Betroffene, die innerorts mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung unter dem „alten“ Grenzwert von 31 km/h bzw. außerorts mit weniger als 41 km/h „geblitzt“ wurden,  sollten daher in Überlegungen eintreten, ob nicht sinnvollerweise und zumindest aus Fristwahrungsgründen rechtzeitig Einspruch gegen einen entsprechenden Bußgeldbescheid eingelegt werden sollte, insbesondere natürlich dann, wenn man auf eine eintrittspflichtige Rechtsschutzversicherung zurückgreifen und sich professioneller anwaltlicher Hilfe bedienen kann. Dabei sollte eher zweitrangig sein, von welcher Behörde und in welchem Bundesland der Bescheid erlassen wurde: Die zur Anwendung kommende Bußgeldkatalog-Verordnung, aus der sich wiederum die für Verkehrsverstöße zu verhängenden Geldbußen und Fahrverbote ergeben, ist nämlich kein Gesetz, es handelt sich hierbei vielmehr um eine vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur erlassene Rechtsverordnung. Da beim Erlass oder bei der Änderung einer solchen Verordnung das Parlament (Bundestag) nicht beteiligt wird, muss grundsätzlich ein Gesetz als Grundlage dafür gegeben sein, dass das jeweilige Ministerium die Vorschrift erlassen darf. Das wiederum wird durch das Grundgesetz (GG) so geregelt. Artikel 80 Absatz 1 Satz 3 GG besagt außerdem, dass die entsprechende Rechtsgrundlage in der Verordnung anzugeben ist (Zitiergebot). Die Rechtsgrundlage für die Aufnahme von Fahrverboten in den Bußgeldkatalog ist § 26a Abs. 1 Nr. 3 Straßenverkehrsgesetz (StVG). Bei näherer Prüfung der Änderungsverordnung, mit der die erhöhten Bußgelder und Fahrverbote eingeführt wurden, ist nun festzustellen, dass auf § 26a Abs. 1 Nr. 1 und 2 StVG in der sog. Eingangsformel der Verordnung Bezug genommen wurde, nicht aber auf Nummer 3, welche die Fahrverbote betrifft. Dies könnte nun tatsächlich weitreichende Folgen haben, denn das Bundesverfassungsgericht  hatte insoweit bereits darauf hingewiesen, dass das Zitiergebot bedeutet, dass die einzelne Vorschrift des Gesetzes genannt werden muss, in welcher die Ermächtigung enthalten ist. Dies wiederum wird nun so ausgelegt, dass neben dem Paragraphen auch Absatz, Satz und Nummer angegeben werden müssen, wenn die gesetzliche Grundlage entsprechend unterteilt ist. § 26a StVG ist aber derart unterteilt, da sein erster Absatz drei Nummern mit unterschiedlichen Regelungen enthält. Dementsprechend wird vielfach die Ansicht vertreten, dass die Änderungsverordnung auch § 26a Absatz 1 Nr. 3 hätte benennen müssen und deshalb die neuen Fahrverbotsregeln unwirksam sein könnten, was bedeuten würde, dass der „alte“ Bußgeldkatalog (vorläufig) weiter gilt, also erst bei einer Überschreitung innerorts um 31 km/h oder mehr bzw. um 41 km/h außerorts ein Fahrverbot verhängt werden kann. Wer einen Bußgeldbescheid mit Fahrverbot erhält, muss aber, um die Fehlerhaftigkeit der Fahrverbotsanordnung zu rügen, rechtzeitig Einspruch gegen den Bescheid einlegen oder durch einen Rechtsanwalt einlegen lassen. Ob die neuen Regeln unwirksam sind, wird dann durch die zuständige Bußgeldstelle oder – anschließend – durch das zuständige Bußgeldgericht entschieden (09.07.2020 ra).