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STRAFRECHT: Vorsicht bei Einspruch gegen Strafbefehl

Vorsicht (und professionelle vorherige anwaltliche Prüfung) ist bei Einsprüchen gegen Strafbefehle angesagt. Dies musste nun auch der Geschäftsführer einer bekannten Modemarke erfahren, der Einspruch gegen einen Strafbefehl eingelegt und dabei möglicherweise nicht bedacht hatte, dass bei einem derartigen Rechtsbehelf das sogenannte „Verböserungsverbot“ nicht gilt, das Gericht in seinem Urteil also nicht an die Festsetzungen des Strafbefehls gebunden ist. Das für das Einspruchsverfahren zuständige Gericht, das zuvor die Tagessatzhöhe, also die Höhe des Einkommens des Betroffenen geschätzt hatte, berücksichtigte nun in seinem Urteil die tatsächlichen Vermögensverhältnisse des Angeklagten. Weil er – angeblich – betrunken auf einem E-Roller gefahren war, erhielt der Geschäftsführer der Modemarke „About You“ einen Strafbefehl über eine Geldstrafe in Höhe von EUR 1.500,00. Im Zuge dieses Einspruchsverfahrens erhielt das Amtsgericht (AG) Hamburg nun erstmalig Kenntnis über die tatsächliche Einkommenssituation des Betroffenen und erhöhte trotz des vom Angeklagten selbst eingelegten Einspruchs die zuvor geschätzte Tagessatzhöhe um das fünfzigfache – und damit auf EUR 80.100,00. Dies ist offiziellen Darlegungen zufolge mittlerweile durch die Pressestelle des AG Hamburg so bestätigt worden. Das Gericht hatte demnach wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr im Januar dieses Jahres einen Strafbefehl gegen den Betroffenen erlassen. Weil E-Roller im Straßenverkehr als Kraftfahrzeuge gewertet werden, erfüllte die Trunkenheitsfahrt auf dem elektrisch betriebenen Roller den Straftatbestand der Trunkenheit im Verkehr, sodass das Gericht im Strafbefehl eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu jeweils EUR 50,00, insgesamt also EUR 1.500,00 verhängte. Beim Erlass eines Strafbefehls liegen dem Gericht in aller Regel nur die von der Staatsanwaltschaft übermittelten Informationen vor und eine mündliche Verhandlung findet nicht statt. Die Höhe eines Tagessatzes wiederum bemisst sich bei Erlass eines Strafbefehls nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Delinquenten. Neben dem Nettoeinkommen kann auch das Vermögen bei der Bemessung berücksichtigt werden. Auf den Umstand, dass die geschätzte Tagessatzhöhe mit EUR 50,00 deutlich zu niedrig bemessen war, machte der Angeklagte das Gericht wohl selbst aufmerksam, denn er wollte den Strafbefehl nicht akzeptieren und legte Einspruch ein. Das zuständige AG Hamburg hat nun den Einspruch am 26. Juli 2022 nicht bloß verworfen, sondern die Tagessatzhöhe an die tatsächlichen Vermögensverhältnisse des Geschäftsführers angepasst. Dabei habe das Gericht die Vermögensverhältnisse, u.a. Aktien- und Immobilienbesitz, erhöhend berücksichtigt und deshalb die Tagessatzhöhe von EUR 50,00 auf EUR 2.670,00 pro Tag angehoben. Die E-Roller-Fahrt kostet nun also statt EUR 1.500,00 nun EUR 80.100,00, wobei das Urteil bislang offenbar noch nicht rechtskräftig ist (11.08.2022 ra).

RECHT KURIOS: Hätten Sie das geglaubt???

Ein Ferrari-Cabrio als Ersatzwagen nach einem Verkehrsunfall, ist so etwas tatsächlich möglich? Mit der Frage, ob ein Ferrari-Cabrio als Ersatzwagen nach einem Unfall angemessen ist, musste sich das Kammergericht in Berlin befassen und kam zu dem Ergebnis, dass dies durchaus so sein kann. Die Richter betonten zwar, dass für den Geschädigten eines Verkehrsunfalls eine Schadensminderungspflicht bestehe, aber es komme halt auf die Umstände des Einzelfalls an. In dem in Berlin verhandelten Sachverhalt (KG Berlin, Az.: 22 U 160/17) hatte der Besitzer eines Rolls-Royce Ghost nach einem unverschuldeten Unfall für die Dauer der Reparatur ein aus seiner Sicht der Dinge repräsentatives und angemessenes Ersatzfahrzeug angemietet, ein Cabrio der Marke Ferrari Typ California T. Die Mietwagenrechnung über EUR 1.200,00 pro Tag reichte er dann bei der Versicherung des Unfallverursachers ein. Vermutlich hat es dem Versicherer im Rahmen der Prüfung die Sprache verschlagen, denn die Zahlung wurde mit dem Hinweis verweigert, dass das Unfallopfer ein Taxi hätte nutzen oder ein günstigeres Auto hätte anmieten können, etwa eine bescheidene Mercedes S-Klasse. Die Richter sahen dies nun wiederum anders und verglichen den Anschaffungspreis des Rolls-Royce (EUR 250.000,00) mit dem des Ferraris (EUR 190.000,00) und kamen deshalb zu dem Schluss, dass der Geschäftsführer einer Berliner Firma bei der Wahl des Mietfahrzeugs seine Schadensminderungspflicht ausreichend beachtet habe, da das Gesetz keine Regelung enthalte, die den Schadensersatz ab einem gewissen Luxusfaktor deckele. Apropos Luxusfaktor: Es muss beileibe nicht immer über die Anmietung eines Ferraris gestritten werden, auch der Genuss von Champagner und die hierdurch anfallenden Kosten können Gegenstand einer gerichtlichen Auseinandersetzung sein. Zwei Passagiere eines annullierten Fluges hatten unter Bezugnahme auf die Fluggastrechteverordnung vor dem Amtsgericht (AG) Düsseldorf gegen die Fluggesellschaft geklagt (Az.: 27 C 257/18). Sie verlangten von der Airline neben einer pauschalen Entschädigung und den Hotelkosten für eine ungeplante Hotelübernachtung auch die Erstattung einer Restaurantrechnung, die sich wiederum für die beiden gemeinsam auf rund EUR 160,00 für Speisen, EUR 40,00 für Bier und Wein sowie EUR 45,00 für Champagner-Cocktails und Dessertwein summiert hatte. Der Richter hatte, anders als die verklagte Fluggesellschaft, mit der Höhe der Rechnung keine Probleme, er sah sie vielmehr durchaus als gerechtfertigt an. „Es ist für das AG Düsseldorf allgemein bekannt, dass zu einem gelungenen Essen nicht nur der Verzehr begleitender Biere und/oder Weine gehört, sondern darüber hinaus auch der Genuss von Champagner und Dessertwein, so dass sich auch diese Kosten als angemessen erweisen“, heißt es im Urteil, wobei – so das Gericht weiter – bei der Beurteilung der Angemessenheit insbesondere zu berücksichtigen sei, dass gerade im Champagner-Segment auch deutlich hochpreisigere Produkte angeboten würden. Wie ein Richter dies in einer weniger weltgewandten Stadt beurteilen mag, sei dahingestellt, möglicherweise wird man dort zu dem Ergebnis kommen, dass Selters statt Sekt angemessen gewesen wäre… (04.08.2022 ra).